In dieser Unterrichtseinheit analysieren und diskutieren die Schülerinnen und Schüler Geschlechterstereotype anhand eines sozialen Experiments. Sie setzen sich kritisch mit dem eigenen Rollenbild und der Tradierung von Rollenklischees durch Medien auseinander und entwickeln Grundlagen für eine selbstbewusste, geschlechterunabhängige Selbstdefinition, die ihrer tatsächlichen Persönlichkeit entspricht.
Beschreibung der Unterrichtseinheit
In einem sozialen Versuch des Marktforschungsunternehmens "research now" im Auftrag von Always wurden Personen dazu aufgerufen, "wie ein Mädchen" zu agieren. Sollten die Versuchsteilnehmenden "wie ein Mädchen" rennen, hüpften sie affektiert herum. "Wie ein Mädchen" zu kämpfen interpretierten sie dahingehend, schwächlich und defensiv mit den Armen zu wedeln, und bei der Weitwurfvorstellung demonstrierten sie völliges Versagen. Das Experiment macht deutlich: Wer sich "wie ein Mädchen" verhält, steht auf der Verliererseite. In den Interviews mit den Darstellerinnen und Darstellern wird deutlich, dass die Phrase "wie ein Mädchen" als Herabwürdigung verstanden und benutzt wird.
Dass diese als "typisch Mädchen" geltenden Verhaltensmuster dabei nicht angeboren, sondern anerzogen sind, wird deutlich, wenn man die Vorführungen von Mädchen beobachtet, die noch nicht in der Pubertät sind. Für diese Mädchen ist es noch selbstverständlich, dass sie schnell rennen, kraftvoll kämpfen oder weit werfen können. Irgendwann im Laufe der Pubertät muss es also bei vielen heranwachsenden jungen Frauen eine Umdeutung von Weiblichkeit gegeben haben. Sie haben die negativ besetzten Rollenbilder, mit denen sie auf dem Schulhof, in den Medien und bisweilen auch im familiären Umfeld konfrontiert werden, internalisiert. Die Mädchen und jungen Frauen laufen somit Gefahr, gesellschaftliche Beschränkungen zu akzeptieren und hinter ihren Möglichkeiten zurückzubleiben.
Nach der Studie von "research now" verlieren 56 Prozent der Mädchen während der Pubertät an Selbstvertrauen. Herabwürdigende Geschlechterstereotype sind hierfür mitverantwortlich. Die Unterrichtseinheit möchte daher auch einen Beitrag zum Empowerment von Mädchen und jungen Frauen leisten und sie, wie auch die Jungs und Männer, dabei unterstützen, Rollenbilder neu zu definieren und ein Selbstbild zu etablieren, das den Stärken und Fähigkeiten ihrer Persönlichkeit entspricht.
Didaktisch-methodischer Kommentar
Stärkung des Selbstbewusstseins
Die Unterrichtseinheit soll dazu beitragen, das Selbstbewusstsein von Mädchen in der Pubertät zu stärken und Schülerinnen und Schüler geschlechtsunabhängig dazu zu ermutigen, gängige, zumeist negativ konnotierte Rollenbilder zu hinterfragen. Sie werden aufgefordert, bewusst eine Gegenposition zu beziehen, sobald sie denken, dass diese Geschlechterstereotype ihre Entwicklung hemmen und ihr Selbstbewusstsein schwächen.
Experiment, Analyse, Empowerment
Die Unterrichtssequenz bezieht ein soziales Experiment ein, das die Jugendlichen nachstellen können. Zusätzlich bietet sie eine Analyse von Rollenvorbildern in den Medien und eine Übung zum Empowerment, bei dem die Schülerinnen und Schüler angeregt werden, unabhängig von geschlechtsabhängigen Zuschreibungen ein eigenes Selbstbild zu entwerfen, das ihren Stärken und Fähigkeiten gerecht wird.
Für Mädchen- oder gemischte Lerngruppen
Die Unterrichtssequenz kann sehr gut in einer reinen Mädchengruppe absolviert werden, eignet sich jedoch auch in einer gemischten Lerngruppe. Die Jungen sind von der Problematik zwar nicht unmittelbar so stark betroffen wie die Mädchen, doch als Personen, die ebenfalls von Geschlechterstereotypen geprägt sind – und diese möglicherweise auch unbewusst weitertradieren – spielen sie eine wichtige Rolle in diesem Prozess der Identitätsfindung.
Selbstreflexive Auseinandersetzung
Die Unterrichtseinheit und die Materialien, die hierbei genutzt werden, haben einen Schwerpunkt in der selbstreflexiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und geschlechtsspezifischen Zuschreibungen. Die Gruppenarbeit zur Medienanalyse setzt auf intuitiv wahrnehmbare Aspekte von Rollenbildern, die gemeinsam im Plenum diskutiert und mit eigenen Erfahrungen abgeglichen werden.
Ablauf der Unterrichtseinheit
Der Ablauf der Unterrichtseinheit "Wie ein Mädchen ... – Geschlechterstereotype analysieren" sowie die dazugehörigen Arbeitsblätter sind hier übersichtlich für Sie zusammengestellt.
Vermittelte Kompetenzen
Fachkompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler
- erfahren, dass die Phrase "wie ein Mädchen" als Beleidigung genutzt wird und somit eine negative Konnotation besitzt, die sich ungünstig auf das Selbstwertgefühl von Mädchen und jungen Frauen auswirkt.
- sind darüber informiert, dass viele Verhaltensweisen anerzogen oder durch Medienvorbilder vermittelt und nicht naturgegeben sind.
Medienkompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler
- identifizieren und hinterfragen Geschlechterstereotype in Medien kritisch.
- analysieren Rollenbilder von Prominenten, von Seriencharakteren und in der Werbung.
- erkennen die Gefahr, dass Geschlechtszuschreibungen in Medien ihr Selbstbild und die Sichtweise auf das Verhältnis der Geschlechter manipulieren.
- nutzen Videokameras und Videoschnittprogramme, um ein Verhaltensexperiment aufzuzeichnen.
Sozialkompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler
- arbeiten in Gruppen und organisieren sich eigenständig.
- vollziehen ein sozialwissenschaftliches Experiment nach und setzen sich kritisch mit den eigenen Interpretationen, Vorurteilen und Rollenklischees auseinander.
- setzen sich selbstreflexiv mit ihren eigenen Stärken, Fähigkeiten und Interessen auseinander.
- entwickeln ein Bewusstsein zur Identitätsbildung für eine geschlechterunabhängige Selbstdefinition und Stärkung des Ichs.